Bipolar - Weg in die Gesundheit

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Ying Yang
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Version 1.7 letzte Aktualisierung 22.05.2018

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Medikamente

Es gibt nicht die Tablette zur Soforthilfe bei Depressionen oder bipolaren Phasen. Schnelle Hilfe in Tablettenform gibt es nur zur Behandlung einzelner Symptome, wie z.B. Schlafstörungen. Ansonsten ist die medikamentöse Behandlung immer langfristig angelegt. Die Wirkung tritt erst nach Aufbau eines sogenannten Wirkspiegels im Blut ein, was bis zu vier Wochen dauern kann. Die Mittel dürfen nicht abrupt abgesetzt werden, sondern müssen langsam ausgeschlichen werden. Meine ganz persönliche Meinung zur Medikamentenfrage findet sich ich im Kontext meiner persönlichen Geschichte.

Antidepressiva
pflanzliche Mittel
Beruhigungsmittel
Stimmungsstabilisierer
Neuroleptika

 

Antidepressiva

Da oft zuerst die Depression diagnostiziert wird, findet auch meist als erstes ein Einsatz von Antidepressiva statt.

Der Einsatz kann ein Switch-Risiko, also ein Umswitchen von der Depression in die Manie auslösen. Aus diesem Grund werden Antidepressiva bei bipolaren Menschen lieber gemieden. Es kann aber sein, dass die stimmungsstabilisierenden Mittel in einer depressiven Phase nicht ausreichen, da sie eher der Manie entgegenwirken. In diesem Fall werden sie auch in Kombination mit Stimmungsstabilisierern eingesetzt.

Antidepressiva machen nicht abhängig. Sie dürfen aber nicht abrupt abgesetzt werden, sondern müssen ausgeschlichen werden, da sie beim Absetzen depressive Symptome auslösen. 

Es gibt bei den Antidepressiva verschiedene Substanzklassen. Man unterscheidet drei Arten:

Antidepressiva wirken erst nach mehreren Wochen, meist setzt die aktivierende Wirkung weit vor der antidepressiven Wirkung ein -> Selbstmordrisiko.

 

Klassische Antidepressiva (Trizyklika und Tetrazyklika)

Diese weisen ein höheres Switch-Risiko auf als die neueren Wirkstoffe.

Diese Wirkstoffe erhöhen im synaptischen Spalt zwischen den Nervenzellen das Angebot an Serotonin und Noradrenalin.

Sie weisen relativ viele Nebenwirkungen auf, die einer körperlichen Stressreaktion entsprechen, wie: Herzklopfen, Schwitzen, Mundtrockenheit, Verstopfung, starke Müdigkeit, niedriger Blutdruck, Übelkeit, Tremor, Gewichtszunahme, verschwommenes Sehen. Bei langjähriger Dauereinnahme besteht eine großes Risiko für Herz- und Nierenschäden.

Beispiele für in Deutschland häufig gebrauchte tri- und tetrazyklische Antidepressiva:

Antidepressiva der neueren Generation

Diese sind meist besser verträglich, weisen also weniger Nebenwirkungen auf.

Diese Mittel unterscheiden sich in Ihrer Zusammensetzung und Wirksamkeit und damit auch dem Einsatzzweck.

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) werden besonders bei Antriebs- und Energielosigkeit eingesetzt. Sie weisen das geringste Switch-Risiko auf. Sie erhöhen gezielt das Angebot von Serotonin im synaptischen Spalt zwischen den Nervenzellen. Die möglichen Nebenwirkungen sind Übelkeit, Appetitlosigkeit, Unruhe, Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen.

Beispiele für diese Gruppe sind:

Andere Mittel dieser Gruppe wirken eher Unruhe und Schlaflosigkeit entgegen. Es gibt hier zum einen die Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer) die das Enzym, das Serotonin und Noradrenalin abbaut, blockieren. Nebenwirkungen können hier Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Schwindel sein. Außerdem muss man eine spezielle Tyraminfreie Diät einhalten (keine Bohnen, reifen Käse, Rotwein). Beispiel ist hier Tranylcypromin (z.B. Jatrosom). Bei reversiblen MAO-Hemmern ist keine Diät nötig. Beispiel hierfür ist Moclobemid (z.B. Aurorix). Zum anderen gibt es in dieser letzten Gruppe die überwiegend Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer beispielsweise Reboxetin (z.B. Edronax). Schließlich gibt es kombinierte Mittel aus Noradrenalin- und Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Beispiele hierfür sind:

Ein weiteres Mittel zur Behandlung von bipolaren Depressionen ist Bupropion (Zyban), das in den USA verwendet wird, aber auch in Deutschland erhältlich ist. Das Switch-Risiko ist hier ebenfalls sehr gering. In Deutschland ist es zur Raucherentwöhnung im Einsatz.

Richtschnur für die Behandlungsdauer mit Antidepressiva ist die Zeit, die eine Depression auch ohne Medikamente dauern würde, also ca. sechs bis zwölf Monate.

 

Pflanzliche Mittel

Kein Medikament im eigentlichen Sinne, aber über die Nahrung einfach und nebenwirkungsfrei aufnehmbar sind Omega-3-Fettsäuren, die sich beispielsweise in Leinöl und Fisch hochkonzentriert finden. Als Therapieoption ist dies noch relativ neu. Es finden sich Omega-3-Fettsäuretabletten auch bei Ernährungszusatztabletten wie Vitaminen und Mineralstoffen im Handel. Die Wirkung solch extrahierten Einzelstoffe gegenüber dem natürlichen Vorkommen in Lebensmitteln ist nicht unbedingt gleichzusetzen. Die antidepressive und aggressionsvermindernde Wirkung von Leinöl wurde in amerikanischen Studien an Gefängnisinsassen nachgewiesen. 

Zur Stimmungsaufhellung gibt es Johanniskraut und zur Beruhigung Baldrian als rein pflanzliche Hilfsmittel. Beide wirken in Anfangsphasen, sind aber bei einer echten Manie oder schweren Depression eher wirkungslos. Wenn schon eine erste Stabilisierung nach einer Depression vorhanden ist, kann Johanniskraut durchaus unterstützend wirken, dieses Hilfsmittel habe ich mehrfach erprobt. Die Nebenwirkungen wie Lichtempfindlichkeit muss man für sich selbst abwägen. Wichtig zu beachten ist, dass Johanniskraut die Wirkung anderer Medikamente verringert (Anti-Baby-Pille, Aids-Medikamente!). Johanniskraut muss, wie andere Antidrepressiva, ausgeschlichen werden. Im Wirkprofil ähnelt es den modernen Antidepressiva (SSRI) und ist angezeigt bei leichten bis mittleren Depressionen.  

Genauso kann bei gelegentlichen Schlafstörungen, also bei Beginn erster Frühwarnsymptome, Baldrian besonders in Kombination mit Entspannungsübungen ein gutes Mittel zum Einschlafen sein. Bei beruflichem Überschwang hin zur Hypomanie setze ich gelegentlich auf Beruhigungs- und Schlaftee (anstelle von Kaffee im Büro), um meine Außenwirkung auf ein Normalmaß zu reduzieren.

Diese Mittel sind besonders im stabilisierten Zustand und in Kombination mit einer ausgewogenen Lebensweise und Sport nach meiner persönlichen Erfahrung geeignet, echten Phasen vorzubeugen, solange größere Stressfaktoren wie private oder berufliche Veränderungen nicht vorliegen.

Bei Verzicht auf andere Medikamente ist besonders auf Frühwarnsymptome zu achten. Die pflanzlichen Mittel bieten keinen Schutz vor dem Abgleiten in eine echte Phase.

Beruhigungsmittel

Beruhigungsmittel sollen das Angsterleben mindern und den Schlaf fördern. Sie können in den ersten Wochen helfen, bis ein Wirkspiegel eines Antidepressivums oder stimmungsregulierenden Mittels aufgebaut ist.

Bei längerer Einnahme können sie abhängig machen.

Auf dem Markt befindliche Medikamente sind hier: Tavor, Valium, Tranxilium, Travil, etc. mehr...

Die Alternative hierzu kann hochdosiertes Baldrian sein (siehe pflanzliche Stoffe).

Stimmungsstabilisierer

Die Stimmungsstabilisierer sind in erster Linie dazu gedacht, eine lebenslange Prophylaxe zu bilden. Sie sollen auch Medikamente zur Manie- und Depressionsbehandlung sein, sind aber häufig in akuten Phasen nicht ausreichend, so dass eine Höherdosierung oder zusätzliche Medikamente (Zweizügeltherapie) nötig werden.

Das älteste und noch immer verbreitetste Mittel ist Lithium. Dieses ist bei der klassischen Form mit euphorischer Manie als wirksam belegt. Bei den neueren Mischformen fehlt der Nachweis der Wirksamkeit zur Prophylaxe. Es ist zum einen ein lange bekanntes Mittel und preiswert, deshalb wird es noch meist als erstes Mittel eingesetzt.

Der Lithiumspiegel wird je nach Befinden in einer manischen, depressiven Phase oder Erhaltungstherapie unterschiedlich hoch eingestellt. Die Nebenwirkungen, die besonders bei Höherdosierungen verstärkt auftreten, sind Mundtrockenheit, ständiges Durstgefühl, häufiges Wasserlassen, Gewichtszunahme, Zittern der Hände und bei ca. 30% aller Patienten Konzentrations- und Gedächtnisstörungen.

Besonders gefährlich sind Überdosierungen, die beispielsweise an heißen Tagen auftreten können, wenn zu wenig getrunken wird, bei Sport und Diät. 

Das andere Standbein der Stimmungsstabilisierung stellen die Antiepileptika dar. Eher zufällig wurde Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts festgestellt, dass das Antiepileptikum Carbamazipin auch bei der Manie wirkt. Inzwischen gibt es mehrere Antiepileptika für die die Wirkung als Stimmungsstabilisator belegt ist.

Es gibt inzwischen drei Antiepilepsimittel deren Wirkung gut untersucht ist. Jedes davon hat seine eigenen Vor- und Nachteile.

Carbamazepin

Dies ist das älteste und am besten beschriebene Mittel. Es gibt ein eigenes Buch hierzu.

Der wesentliche Vorteil dieses Mittels gegenüber Lithium liegt im breiteren Bereich der bipolaren Störungen, die hiermit abgedeckt werden.

In der Regel wird dieses Mittel in der Manie begonnen, seine Wirksamkeit gegen Depression ist gering. Es kann in Kombination mit einem Antidepressivum den Switch in die Manie verhindern.

Wie Lithium wird es in geringerer Dosis zur Prophylaxe in der phasenfreien Zeit eingesetzt. Der Vorteil liegt in dem geringeren Risiko einer gesundheitsgefährdenden Überdosierung. Möglich Nebenwirkungen sind Erbrechen, Müdigkeit, Schwindel, allergischer Hautausschlag, Erhöhung der Leberwerte im Blut, Verminderung der weißen Blutkörperchen.

Valproat

Ebenfalls schon lange eingesetzt und damit gut in seiner Wirkung erforscht ist. Es war lange verpönt, weil es mit Leberschäden zum Tod von Patienten führte, dies scheint aber nur beim Einsatz bei Kindern eine Rolle zu spielen.

Im Gegensatz zu Lithium kann es schnell eindosiert werden und wirkt auch bei atypischen Manien gut. Es zeigt weniger Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, wie Neuroleptika, falls es als alleiniges Mittel nicht ausreicht. Auch erlaubt es im Gegensatz zu Carbamazipin die zuverlässige Verhütung mit der Pille.

Wie Carbamazepin wirkt es aber auch nur begrenzt in depressiven Phasen. Zu den Nebenwirkungen zählen: Schwindel, Durchfall, Zittern, Erhöhung der Leberwerte, Gewichtszunahme und selten Erbrechen, Haarausfall und Verringerung der Blutplättchenanzahl.

Lamotrigin

Dies ist neben den Klassikern Lithium, Cabamazipin und Valproat das neueste Mittel auf dem Markt. Dieses Mittel darf nur sehr langsam aufdosiert werden (8 Wochen). Bei ca. 95% wird es dann gut vertragen. Sollte jedoch bei der Aufdosierung ein Hautausschlag auftreten, muss unverzüglich der Arzt konsultiert werden, da es zu schwersten Hautablösungen und schließlich Leberversagen führen kann.

Lamotrigin wirkt auch depressiven Phasen entgegen und wird als Stimmungsstabilisator von den Betroffenen am wirkungsvollsten empfunden. Neben dem oben beschriebenen Risiko der Unverträglichkeit, die sich mit Hautausschlag als erstem Symptom bemerkbar macht, gilt es als relativ nebenwirkungsfrei. Selten treten Müdigkeit oder Schwindel auf.

 

Neuroleptika

Neuroleptika blockieren die übermäßige Wirkung des Überträgerstoffes Dopamin. In erster Linie werden sie bei psychotischen Symptomen und schweren Manien eingesetzt (neben der Schizophrenie als Haupteinsatzgebiet). Sie werden in hoch-, mittel- und niederpotente Neuroleptika eingeteilt. Die hochpotenten Mittel wirken stark antipsychotisch, dafür weniger sedierend, die niederpotenten Neuroleptika wirken vor allem beruhigend (und antidepressiv) und helfen daher bei Angst, Unruhe, Schlafstörungen. Sie machen im Gegensatz zu Tranquilizern (z.B. Valium) nicht abhängig.

Ein hochpotentes Neuroleptika ist Haloperidol (z.B. Haldol). Dieses Mittel ist auch als intramuskuläre Injektion einsetzbar, was die Möglichkeit der Behandlung bei fehlender Krankheitseinsicht ermöglicht. Die Möglichkeit , hier gegen den freien Willen des Patienten zu handeln, hat zu einem entsprechenden Ruf des Mittels geführt. Hochpotente Neuroleptika sollten nur für einen kurzen Zeitraum eingesetzt werden, da sie durch Muskelverspannungen die Patienten mehr lähmen, als zu helfen.

Mittelpotente (Taxilan) und niederpotente (Melleril) alte Neuroleptika dienen ebenfalls in erster Linie der Beruhigung und Schlafförderung. Sie sind für eine langfristige Behandlung ebenfalls nicht geeignet. Die Nebenwirkungen, die an Parkinson erinnern, sind sehr hoch.

Für die alten Neuroleptika hat  Hans-Hoachim Hase ein Gesetz der neuroleptischen Wirkung erstellt. Demnach verhällt sich die antipsychotische  Wirkung proportional zu den parkinsonähnlichen Nebenwirkungen. Das erste atypische Neuroleptikum, das dann auf den Markt kam, hieß Leponex (Lepo = Hase, Ex = tot - Hase tot, Wirkstoff Clozapin). Bei dieser Stoffklasse treten die parkinsonähnlichen Nebenwirkungen nur noch schwach bis gar nicht mehr auf. 

Heutzutage werden die modernen atypischen Neuroleptika eingesetzt, auch mit einer besseren Complience der Patienten (größere Bereitschaft diese Tabeltten auch regelmäßig zu nehmen). Eine Nebenwirkung hierbei ist eine starke Gewichtszunahme.

Die atypischen Neuroleptika haben inzwischen über ihren Interventionseinsatz hinaus auch ihren Nutzen als Stimmungsstabilisierer bewiesen. Besonders bei nur leichten Manien scheinen sie gute Wirkung zu zeigen. Die Verträglichkeit ist gut, aber es kann bei Clozapin zu lebensgefährlichen Infektionen kommen, wenn es die Bildung weißer Blutkörperchen unterdrückt. Eine wöchentliche Blutuntersuchung ist hier empfohlen. Andere atypische Neuroleptika (Olanzapin, Risperidon, Quetiapin, Ziprasidon) sind noch nicht endgültig in ihrer prophylaktischen Wirksamkeit bzw. langfristigen Nebenwirkungen untersucht.

 

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